Als Charles August Fey im Jahr 1887 den ersten Spielautomaten “Liberty Bell” erfand, konnte er von seinem Erfolg noch nichts ahnen. Heute kann man jeden Tag sehen, wie diese Erfindung die Welt der Automatenspiele verändert hat.
Gab es über viele Jahrhunderte in Spielbanken nur das sogenannte “große Spiel”, also Roulette, Poker, Black Jack, Baccarat, etc., war es durch die Erfindung der Spielautomaten auf einmal für jeden möglich, dort zu spielen. Man muss keine besonderen Regeln kennen und braucht keine Mit- oder Gegenspieler. Der Hauptgrund, warum Spielautomaten so beliebt wurden, ist aber ein anderer: Man kann mit relativ kleinem Einsatz spielen. Dies war übrigens auch der Antrieb von Charles August Fey, der als Jugendlicher aus Bayern in die USA auswanderte. Er war pleite und konnte sich ein “großes Spiel” nicht leisten. (siehe Wikipedia)
Die Symbole auf den 3 Walzen waren Hufeisen, Spaten, Diamanten, Herzen und die namensgebende Liberty Bell (Freiheitsglocke). Gut 100 Jahre nach der amerikanischen Unabhängigkeit und mitten in der Eroberung des Wilden Westens hatte die Freiheitsglocke für die Amerikaner eine besondere Bedeutung. Und genau deshalb wählte sie Fey als wertvollstes Symbol aus.
Mit dieser Taktik arbeiten die Automatenhersteller noch heute. Nicht umsonst ähnelt der beliebte Automat “Book of Ra” aus dem Hause Novomatic sehr stark den Indiana Jones Filmen. Und seit es zu dem bisher ungebrochenen Comic-Boom kam, werden immer wieder Spielautomaten zu diesem Thema entworfen. Diese Anlehnung an aktuelle Trends kann allerdings nicht alleine die Anziehungskraft von Spielautomaten erklären.
Spielwissenschaftliche Erklärungsversuche
Auf den ersten Blick scheint es grotesk, dass sich Wissenschaftler mit einer Freizeitbeschäftigung wie dem Spielen beschäftigen. Auf den zweiten liefert diese wissenschaftliche Disziplin allerdings interessante Erkenntnisse zum Spielen im Allgemeinen und zu Spielautomaten im Speziellen und kann so erklären, warum das Automatenspiel so reizvoll ist. (mehr zur Spielwissenschaft siehe: Mikal Aasved 2003: The Sociology of Gambling)
Die Spielwissenschaft erklärt also zunächst, was das Glücksspiel, zu dem das Spielen an Automaten gehört, im Allgemeinen überhaupt so reizvoll macht. Hier können psychologische und physiologische Merkmale unterschieden werden.
Am Beginn des Spiels steht immer erst der Einsatz des Geldes. Die Hoffnung, mehr Geld zu gewinnen, aber auch die Angst davor, alles zu verlieren, führt zum sogenannten Nervenkitzel, also einer inneren Anspannung. Dieses Gefühl setzt unmittelbar ein und hält so lange an, wie Gewinnchancen bestehen.
Bei Spielautomaten setzt dieses Gefühl noch unmittelbarer ein als bei vielen anderen Glücksspielen. Und manche Spieler steigern dieses Gefühl noch, indem sie die Augen schließen, während die Walzen sich drehen, am Computer den Ton abschalten oder sich in der Spielothek die Ohren zuhalten, um den Zeitpunkt, zu dem sie über einen Gewinn oder Verlust informiert werden, selbst bestimmen zu können. (vgl. Jörg Petry 2003: Glücksspielsucht)
Diese innere Anspannung ist also unabhängig davon, ob der Spieler gewinnt oder nicht.
Steigerung des Selbstwertgefühls
Eng mit dem Nervenkitzel hängt das Gefühl nach einem tatsächlichen Gewinn zusammen. Und dieses Gefühl ist erstaunlicherweise unabhängig davon, ob der erzielte Gewinn den Einsatz übersteigt. Bei Spielautomaten kommt es ja öfter vor, dass der Mindesteinsatz den kleinsten möglichen Gewinn übersteigt. Aber selbst dann überwiegt beim Spieler die Freude über den Gewinn als die Trauer über den Verlust des größeren Rests. (mehr hierzu in Walker e.a. 2008: Explaining Why People Gamble)
Ein Gewinn bestätigt Spieler häufig in ihrer Annahme, den Automaten richtig gelesen, zum richtigen Zeitpunkt geklickt oder auch nur den richtigen Automaten gewählt zu haben. Trotz des Wissens der Spieler, dass Spielautomaten nach dem Zufallsprinzip funktionieren, fühlen sie sich in diesem Moment bestätigt und ihr Selbstwertgefühl steigt. In Spielhallen kann man oft sehen, dass sich Spieler in diesem Moment zu ihren Nebenleuten umdrehen und auf eine anerkennende Geste warten.
Mag der Gewinn auf noch so klein sein, möglicherweise sogar kleiner als der Einsatz, beginnt in dem Moment des Gewinnens die Phantasie des Spielers sich auszumalen, was man mit dem Gewinn alles machen könnte. Es werden Pläne geschmiedet oder der Einsatz erhöht, in der Erwartung eines “Laufs”. (Meyer/Bachmann 2011: Spielsucht)
Ansporn durch Verluste
Während die Erregung bei der Aussicht auf einen Gewinn oder das tatsächliche Gewinnen ziemlich logisch scheint, ist dies beim Verlust nicht so offensichtlich. Und tatsächlich überwiegen im Moment des Verlierens die negativen Gefühle wie Niedergeschlagenheit oder Verzweiflung. Ihren Reiz ziehen Spieler aber schon sehr kurze Zeit später aus dem Ansporn, erlittene Verluste sofort wieder auszugleichen. Es gibt Spieler, die diesen Zustand als reizvoller beschreiben als eine Phase, in der sie stetig gewinnen.
Klarer wird diese Situation vielleicht mit einem Beispiel außerhalb des Glücksspiels. Im Champions-League Finale 2005 lag der FC Liverpool gegen den AC Mailand zur Halbzeit mit 3:0 hinten. Keiner gab mehr einen Pfifferling auf die Engländer und die ersten Fans verließen bereits das Stadion. Liverpool hatte bereits jetzt alles verloren. So schien es jedenfalls. Die Mannschaft sann jedoch auf direkte Revanche und schaffte es tatsächlich, in der zweiten Halbzeit 3 Tore (innerhalb von 6 Minuten) zu erzielen und schließlich im Elfmeterschießen zu triumphieren.
Dieses “Jetzt-erst-recht” denken und die Spannung, ob es gelingen wird, den Verlust auszugleichen, bringt manchen Spielern einen größeren Kick als das Gewinnen selbst. (Meyer/Bachmann 2011: Spielsucht, S. 70ff.)
Physiologische Reaktionen während des Spiels
Untersuchungen haben gezeigt, dass Spieler nicht nur psychische, sondern auch physisch messbare Reaktionen beim Spielen zeigen. So sind beispielsweise eine höhere Herzfrequenz oder eine höhere Leitfähigkeit der Haut als Indikatoren für eine höheres Erregungsmaß festzustellen. Auch eine gesteigerte Muskelaktivität ist messbar.
Interessant hierbei ist, dass diese Zeichen körperlicher Anspannung mit der Höhe des Einsatzes in engem Zusammenhang stehen. Dabei ist es egal, ob es um reales Geld oder Spielgeld geht. Ungewöhnlich und überraschend ist, dass sich die Werte bei Männern und Frauen deutlich unterscheiden. Bei Männern steigt die Herzfrequenz deutlich stärker als bei den weiblichen Testteilnehmerinnen.
Neben den sichtbaren Körperreaktionen kommt es während des Spielens an Automaten auch zur vermehrten Hormonausschüttung. So steigt die Adrenalinkonzentration im Blut an und erreicht ihren Höhepunkt, wie oben schon angedeutet, beim ersten Spiel nach einem Verlust. Hier ist allerdings ein deutlicher Unterschied zwischen dem Spiel um Echtgeld und um Spielgeld festzustellen. Der Unterschied zwischen den Geschlechtern bleibt bestehen. (Bühringer/Türk 1999: Geldspielautomaten)
Warum spielen Automatenspieler?
Neben diesen wissenschaftlichen Erkenntnissen gibt es auch eine Reihe von Untersuchungen, die sich damit beschäftigen, warum Spieler überhaupt spielen. Hierfür wurden viele Automatenspieler zu ihrer Motivation befragt und lieferten interessante und zum Teil ungewöhnliche Antworten.
Ganz oben auf der Liste der Antworten auf die Frage nach der Motivation steht die Entspannung. Während des Spiels können negative Gedanken verdrängt, und Anspannungen und Stress abgebaut werden. Diesen Effekt hat nach Angabe der Spieler auch schon die gedankliche Beschäftigung mit einem anstehenden Spiel. Das heißt, die Entspannung ist nicht nur auf die eigentliche Spielsituation beschränkt.
Die Steigerung des Selbstwertgefühls ist ebenfalls ein häufig genanntes Argument zur Frage, warum ein Mensch spielt. Der selbstgewählte Automat, der bestimmte Moment des Startens und Stoppens des Spiels – dies alles können Spieler als eigenen Verdienst registrieren. So wird ein Gewinn nicht auf den Zufall geschoben, sondern auf die eigene Geschicklichkeit. Und selbst Glück schreibt sich der Spieler selbst zu, denn Glück belohnt den Tüchtigen.
Auch die oben bereits genannten Geldgewinne oder das Schaffen einer spannenden Situation sind wichtige Motive zu spielen. (Meyer/Bachmann 2011: Spielsucht)
Taktiken der Hersteller
Diese Erkenntnisse haben natürlich nicht nur Spielwissenschaftler, sondern auch die Hersteller von Spielautomaten. Und sie versuchen, sie gezielt durch bestimmte Merkmale der Automaten zu verstärken.
Um den Erregungszustand des Spielers zu verstärken, sind die Runden bei Spielautomaten sehr kurz. Das heißt, alle paar Sekunden startet ein neues Spiel. Dadurch werden Verluste schnell vergessen und ein neuer Nervenkitzel tritt an die Stelle der Niedergeschlagenheit. (Turner 2008: Games, Gambling, and Gambling Problems)
Deutlich wird der Sinn des kurzen Spielintervalls, wenn man ihn mit dem Lotto 6aus49 vergleicht. Hier gibt es nur 2 Runden pro Woche. Kurz vor der Bekanntgabe der Zahlen tritt der Erregungszustand ein, um danach direkt wieder für einige Tage zu verschwinden. Bei Spielautomaten ist die Pause zwischen den Spielen erheblich kürzer, deshalb kann der Erregungszustand auch über die Pause hinweggerettet werden.
Mit Zeit hat auch das Auszahlungsintervall zu tun. Beim Spielautomaten liegt die Zeit zwischen dem Gewinn und dem Auszahlen des Geldes sehr nah beieinander. In der Spielothek erfolgt die Auszahlung sogar sofort. Und auch beim Online Spielen bekommt man seinen Gewinn sofort gutgeschrieben. Hierbei ist es nicht von Bedeutung, ob das Geld real auf dem Bankkonto oder in der Brieftasche ist, sondern ob der Gewinn als Einsatz für weitere Spiele zur Verfügung steht. Die Hersteller und Betreiber von Spielautomaten sind also sehr daran interessiert, ihre Kunden, also die Spieler, durch sofortige Gewinnausschüttung zum Weiterspielen zu animieren. (Zangeneh e.a. 2008: In The Pursuit Of Winning)
Wahrscheinlichkeit, Jackpots und Fast-Gewinne
Als weiteren Punkt kann man die Gewinnwahrscheinlichkeit nennen. Gewinne sind, wie oben beschrieben, einer der Hauptgründe, warum Menschen überhaupt spielen. Und je öfter gewonnen wird, desto länger bleibt der Spieler “am Ball”. Mit Aussagen wie “20 Gewinnlinien” wird von den Herstellern eine Gewinnerwartung bei den Spielern geweckt. Nur übersteigen die kleinsten Gewinne, die am häufigsten vorkommen, nie oder fast nie den Einsatz. Der Spieler gewinnt und “triumphiert”, verliert aber trotzdem einen Teil seines Einsatzes. (Meyer/Bachmann 2011: Spielsucht)
Auch die Höhe des Maximalgewinns spielt vor allem bei der Auswahl des Spiels eine Rolle. Automaten, die über eine Jackpotfunktion verfügen, sind sehr beliebt. Auch wenn das Gewinnen dieses Jackpots beinahe unmöglich ist, animiert er die Spieler, weiterzuspielen. Hören sie auf, verlieren sie ihre Chance auf den Hauptgewinn. Hier kommt auch der Wettbewerbscharakter zum Tragen. Geht es um einen Jackpot, spielen die Spieler nicht nur gegen den Automaten, sondern wetteifern gleichzeitig mit den anderen Spielern um den Jackpot.
Ein wichtiges Element der Automaten, um Spieler zu binden, sind auch die sogenannten Fast-Gewinne. Besonders deutlich wird dies bei Spielen mit Scatter-Symbolen. Gewinnt man bei 3 Scatter-Symbolen, egal an welcher Stelle sie erscheinen, 10 Freispiele und sind 2 bereits da, verändert sich die Musik. Außerdem dreht sich die letzte und entscheidende Walze in einem anderen Tempo und vor allem länger als normalerweise, um die Spannung zu erhöhen. Gibt es dann kein Scatter-Symbol auf der letzten Walze, hat der Spieler das Gefühl, fast gewonnen zu haben und denkt sich, dass es das nächste Mal klappen muss mit dem Gewinn der Freispiele. Hier wird er also durch einen Verlust, der sich wie ein Fast-Gewinn anfühlt, zum Weiterspielen animiert und an das Gerät “gefesselt”. (Meyer/Bachmann 2011)
Die variable Einsatzhöhe ist ebenfalls ein wichtiger Motivationsgrund. Wie schon der Erfinder Charles August Fey können oder wollen sich viele Spieler Roulette oder Poker nicht leisten. Wenn man 50 € zum Spielen hat und der Mindesteinsatz beim Roulette bei 5 € liegt, kann man bei sehr viel Pech maximal 10 Runden spielen. Das dauert nicht länger als 20 Minuten.
Der Traum vom großen Gewinn
Bei Spielautomaten ist der Minimaleinsatz sehr viel geringer als bei anderen Spielen, der Maximaleinsatz kann dagegen auch relativ hoch sein. Durch diese niedrige Einstiegshöhe können alle Spieler an Automaten spielen, und durch die große Varianz der Einsätze können Verluste in einem einzigen Spiel wieder “reingeholt” werden. Dies macht einen großen Reiz der Spielautomaten aus, was die Hersteller erkannt und berücksichtigt haben. Ein weiteres Element des Minimaleinsatzes ist das Einsatz- und Gewinnverhältnis. Selbst bei einem Einsatz von beispielsweise 50 Cent ist es möglich, den Jackpot zu knacken und mehrere 10.000 € oder sogar mehr zu gewinnen. (Wölfling e.a. 2012: Glücksspielsucht)
Bei Spielautomaten ist der Wegfall des haptischen Gefühls des Geldes ebenfalls ein wichtiges Merkmal, allerdings eher für die Betreiber. Durch das Entkoppeln des Spieler von Bargeld, das er in den Schlitz stecken muss, um zu spielen, verliert dieser das Gefühl für den Verlust. Durch das Aufladen des Kontos mit Kreditkarten, E-Wallets wie Skrill und Neteller, Klarna Sofortüberweisung oder Prepaid-Anbieter wie Paysafecard verliert der Spieler das bewusste Gefühl für die Summen, die er einsetzt. Dadurch werden diese Summen höher und er spielt risikoreicher. (Dickerson/O’Connor 2006: Gambling as an Addictive Behaviour)
Bestärkt wird dieses riskante Spiel auch durch die Licht- und Toneffekte der Spielautomaten. Durch die sowohl optische als auch akustische Untermalung von Gewinnen wird dem Spieler das Gefühl vermittelt, dass Gewinne deutlich häufiger sind als angenommen. In einer Versuchsreihe wurden Spieler an “normalen” und an modifizierten Spielautomaten, die keine Ton- und Lichteffekte besaßen, beobachtet und nach dem Spiel befragt. Nach der Häufigkeit der Gewinne gefragt, schätzten die Spieler an den modifizierten Automaten den Anteil an gewonnenen Spielen wesentlich genauer ein als jene, bei denen Gewinne mit Effekten untermalt wurden, die eine deutlich höhere Zahl an Gewinnspielen angaben. (Esposito 2008: Psychology of Gambling)
Die Kontroll-Illusion
Das Unterstreichen eines erfolgreichen Spiels ist also keineswegs nur eine Anerkennung für den Spieler, sondern auch und in erster Linie eine Taktik der Hersteller, um dem Spieler eine häufigere Gewinnfrequenz zu suggerieren.
Als letzter Punkt kann hier die gezielte Kontroll-Illusion als Maßnahme der Automatenhersteller genannt werden. Durch die aktive Einbeziehung der Spieler in den Spielablauf durch Betätigen der Start- oder der Risikotaste werden dem Spieler Einflussmöglichkeiten auf den Spielverlauf suggeriert. Dies führt dazu, dass Spieler die Schuld für Verluste bei sich selbst und ihren mangelnden Fähigkeiten zugeschrieben. Es wird den Spielern das Gefühl vermittelt, durch Übung ihre Gewinnchancen verbessern zu können, was in Wirklichkeit bei Automaten allerdings nicht der Fall ist, da es sich um Zufallsspiele handelt. Anders ist dies beispielsweise bei Sportwetten, wo man tatsächlich einen Unterschied bei den Gewinnaussichten zwischen erfahrenen, gut informierten Wettern und Neulingen feststellen kann. (Meyer/Bachmann 2011: Spielsucht)
Der Reiz des Automatenspiels
Es gibt also viele verschiedene Gründe, warum gespielt wird – der Nervenkitzel, die Aussicht auf einen Gewinn, das Ausblenden des Alltags. Alle diese Faktoren kennen auch die Hersteller und Entwickler der Automaten. Und durch gezieltes Verstärken nutzen sie diese.
Einerseits ist das natürlich Taktik, um den Spielern weiter Geld aus der Tasche ziehen zu können. Andererseits macht es auch einfach Spaß, wenn der Automat bei einem Gewinn beinahe einen Purzelbaum schlägt und so die eigene Freude steigert. So oder so machen sich die Spieler etwas vor, wenn sie meinen, ihr Spiel zu jedem Zeitpunkt unter Kontrolle zu haben.