Die Geschichte des Roulette ist eng mit der Geschichte der Spielbanken verbunden. Während heutige, moderne Casinos viele verschiedene Glücksspiele anbieten, war das traditionelle Spieleangebot bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg fast ausschließlich auf Roulette und einige wenige Kartenspiele beschränkt.
Doch der neuen Vielfalt der Casino-Spiele zum Trotz, hält sich auch heute noch die Faszination für das Roulette-Spiel. Für begeisterte Casino-Spieler liegt diese wohl darin, dass das Spiel deutlich höhere Gewinnchancen hat als viele andere angebotene Casino-Spiele und die Idee, dem Spiel durch Berechnung von Wahrscheinlichkeiten ein Schnippchen schlagen zu können. Für alle, die noch nie eine Spielbank von innen gesehen hat, ist das Spiel zumindest mit einem gewissen Flair verbunden, das dem in Literatur und Film vermittelten Bild entspringt.
Die Entstehungsgeschichte
Es gibt verschiedene Erklärungen, wie das Roulette (“das Rädchen”) entstanden ist, zum Beispiel, dass römische Soldaten die Räder von Wägen zu Glücksrädern umgebaut und die Felder mit roter und schwarzer Farbe bemalt hätten.
Anderen Quellen zufolge war das Glücksrad aus dem Mittelalter der Vorgänger des Roulette. Es gibt auch Theorien, dass chinesische Mönche es in Klöstern zum Zeitvertreib erfunden haben.
Als Erfinder des modernen Roulette, wie wir es heute kennen, wird zwar häufig der französische Wissenschaftler und Stochastiker Blaise Pascal angeführt, so ganz stimmt das aber wohl nicht: Er war zwar ein bedeutender Mathematiker auf dem Gebiet der Wahrscheinlichkeitsrechnung und schrieb 1649 das Buch “Abhandlung über das Roulette und die Dimensionen aller Kurven”, allerdings beschreibt er darin lediglich das Verhalten eines sich drehenden Zylinders, um seine Forschungen in der Wahrscheinlichkeitstheorie zu untermauern – die Erfindung des Roulette kann daraus aber nicht abgeleitet werden.
Roulette in Frankreich – die Zeit bis 1836
Wahrscheinlicher ist, dass die moderne Form des Roulette ihren Ursprung im Italien des 17. Jahrhunderts hatte und schließlich im 18. Jahrhundert nach Frankreich gelangte. Im Jahre 1716 bereits taucht “Roulette” in Bordeaux als Bezeichnung für ein Glücksspiel auf – es ist jedoch wohl eher eine gegen Ende des Jahrhunderts entstehende Kombination aus verschiedenen Spielen, die schließlich zu dem wird, was wir heutzutage unter Roulette verstehen.
Der Historiker Manfred Zollinger geht davon aus, dass Roulette aus einer Kombination der Spiele Hoca/Biribis, Portique, Rowlet/Rowley-Poley und E-O entstand. (Vgl.: Zollinger, Manfred: Geschichte des Glücksspiels: vom 17. Jahrhundert bis zum Zweiten Weltkrieg, Wien 1997, S. 307.)
Das Roulette-Spiel entwickelte sich zu einer beliebten Freizeitbeschäftigung in den Spielbanken – vor allen Dingen aber im berühmten Pariser Palais Royal, das verschiedene, kleine “Häuser”, also Casinos, beherbergte.
Schon unter Ludwig XV. gab es jedoch Widerstand gegen das Spiel – dieser folgte jedoch weniger dem humanistischen Grundgedanken, die Spieler vor den Gefahren des Glücksspiels zu schützen, sondern hatte seinen Ursprung in politischen Motiven: Die im Pariser Palais Royal angesiedelten Spielhallen entzogen sich nämlich dem Einfluss des Königs, gehörten sie doch dem Herzog von Orléans – einem der größten Widersacher Ludwigs, der stark von den Einnahmen seiner Spielhallen profitierte.
Der Versuch Ludwigs, ein weitreichendes Verbot des Glücksspiels durchzusetzen, scheiterte, wodurch das Roulette-Spiel in Frankreich seine Blütezeit erleben konnte. Ab dem Jahr 1806 ging das Recht, Glücksspiel anzubieten, in Paris sogar exklusiv auf das Palais Royal über, was zur Folge hatte, dass sich die Palastanlage zu einer Oase des Vergnügens entwickelte.
Das Ende des Glücksspiels und damit auch des Roulette in Frankreich kam 1836 – als eine Folge der Julirevolution des liberalen Bürgertums. Unter dem Eindruck der Aufklärung und der Dominanz des Bürgertums war kein Platz mehr für die dem Primat des Verstandes widersprechenden Regeln des Zufalls. Das Roulette verschwand jedoch keineswegs, sondern lebte in illegalen Spielhöllen fort, die sich der politischen Kontrolle entzogen. Eine weitere negative Folge des Verbots waren die monetären Einbußen, die der Staat zu verzeichnen hatte. Auf bis zu 5-6 Millionen Franc jährlich wurden diese Verluste von Zeitgenossen beziffert. (Quelle: Albert Wild: Das Roulette-Spiel nach den Grundsätzen der Wahrscheinlichkeitsrechnung, München, 1861, S. 7)
Doch das vorläufige Ende der Erfolgsgeschichte des Roulette in Frankreich war auch zugleich ein Anfang: Von Frankreich kam das Roulette-Spiel nach Deutschland. (https://de.wikipedia.org/wiki/Roulette#Geschichte)
Roulette in Deutschland – die Blütezeit
Als die Gebrüder Blanc (Louis Blanc und Francois Blanc – siehe Infobox) den Landgrafen Ludwig von Hessen-Homburg kennenlernen, ist Deutschland kein einheitlicher Staat wie später das Kaiserreich oder gar die Bundesrepublik, sondern ein loser Staatenbund. Der “Deutsche Bund” besteht aus 38 Fürsten- und Herzogtümern, Königreichen, Freien Städten – und die Landesherren brauchen Geld, um ihre Staaten zu unterhalten. Begegnung mit den Gebrüdern Blanc kommt Ludwig sehr gelegen, sieht er doch in der Eröffnung einer Spielbank eine günstige Gelegenheit den Staatshaushalt seines Landes aufzubessern.
Der Landgraf erteilte den Brüdern das Recht, eine Spielbank zu eröffnen. 1841 wurde in Bad Homburg die erste Spielbank im Deutschen Bund eröffnet. Bald folgten weitere Spielbanken: vier in Kurhessen, zwei in Nassau, zwei in Waldeck, sowie je eine in Mecklenburg-Schwerin und Lübeck (Travemünde). Zwölf Spielbanken entstanden bis 1864 – auffälligerweise vornehmlich in kleinen Teilstaaten.Die Dass sich die großen Flächenstaaten der Eröffnung von festen Spielbanken widersetzten, lag vor allem daran, dass es ihnen im Vergleich zu den Kleinststaaten nicht an anderen Einnahmequellen mangelte. Doch es gab auch einen anderen Grund: Die vom aufgeklärten Bürgertum dominierte Funktionselite lehnte das Glücksspiel aus moralischen Gründen ab. (Quelle: Walser-Smith, Helmut: An Preußens Rändern: Die Welt, die dem Nationalismus verloren ging, in: Osterhammel, Jürgen; Conrad, Sebastian, Hrsg.: Das Kaiserreich transnational: Deutschland in der Welt 1871-1914, Göttingen 2006, S. 149-169, hier: S. 159).
In den folgenden Jahren boomte das Glücksspiel in denjenigen Städten, die eine Spielbank besaßen.
In erster Linie wurde Roulette gespielt und allmählich vollzog sich ein Wandel der Spielerschaft. War das Roulettespielen im 18. Jahrhundert und frühen 19. Jahrhundert in Frankreich aber auch einigen Ländern des Deutschen Bundes noch eine Freizeitbeschäftigung vornehmlich des Adels und der oberen gesellschaftlichen Schichten gewesen, kann man gerade in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einen Wandel hin zu einer zunehmenden Spielleidenschaft auch anderer gesellschaftlichen Klassen hin erkennen.
Während die meisten Spielbanken ihr Geld am Roulettetisch hauptsächlich mit reichen russischen Spielern verdienten (siehe Infobox: Dostojewski: Der Spieler), änderte sich die Zusammensetzung der Spieler gegen Mitte des Jahrhunderts, was auch dem leidenschaftlichen Spieler Fiodor Dostojewski am Roulettetisch in Bad Homburg im Jahre 1867 nicht entging:
“Gestern war Sonntag, und all diese Homburger Deutschen mit ihren Frauen erschienen nach dem Mittagessen im Kurhaus. An Wochentagen spielen dort gewöhnlich die Ausländer und es herrscht kein Gedränge, gestern, Sonntag, war aber ein durcheinander, eine Schwüle, ein Gestoße und ein Geschimpfe!”
(Zit.n. : Zollinger, Manfred: Geschichte des Glücksspiels: vom 17. Jahrhundert bis zum Zweiten Weltkrieg, Wien 1997, S. 246)
Ähnliche Erfahrungen finden sich auch in Thomas Manns “Buddenbrooks”, wenn dieser darüber schreibt, dass “um 1870 Hamburger Kaufmannsfamilien, Konsuln, Senatoren, Polizeichefs, englische und russische Herrschaften das Seebad Travemünde [bevölkerten], sich amüsieren und “nach dem Essen die Roulette ein wenig in Bewegung” [setzten]. Sonntags füllt sich das Bild durch “Eintagsfliegen aus dem guten Mittelstande”.”
(Zit.n. : Zollinger, Manfred: Geschichte des Glücksspiels: vom 17. Jahrhundert bis zum Zweiten Weltkrieg, Wien 1997, S. 246)
Der aristokratische Glanz des Roulette-Spiels ging gegen Mitte des 19. Jahrhunderts als Folge einer weiteren Öffnung der Spielbanken verloren. Es setzte eine Art “bürgerlicher” Glücksspiel-Tourismus ein, der den Teilstaaten zwar deutlich höhere Einnahmen bescherte – so wurde unter anderem der Bau des Seebades Heiligendamm aus den Roulette-Einnahmen des Casinos in Bad Doberan finanziert -, der aristokratische Elitetreffpunkt “Spielbank” verlor jedoch an Bedeutung.
Auch an der politischen Elite des Deutschen Bundes ging diese Entwicklung nicht vorbei und die sich über Jahre angebahnte Diskussion über Gefahren und moralische Herausforderungen, die das Glücksspiel an die politisch Verantwortlichen stellt, gipfelte schließlich ein Jahr nach der Reichsgründung 1871 in einem Verbot des Glücksspiels.
Glücksspielverbot im deutschen Kaiserreich
Vor allen Dingen preußisch-protestantische Ökonomen sahen im Glücksspiel – oder dem Hasardspiel, wie sie es nannten – eine Bedrohung, der es Einhalt zu gebieten galt. Jegliches öffentliche Glücksspiel widerstreite den “Gesetzen der Volkswirtschaft wie der Moral, […] indem es an die Stelle des Vertrauens in die eigene Kraft ein blindes Jagen nach mühelosem Gewinn setzt, Trägheit und Aberglauben verbreitet, vom sparen abhält, Unzufriedenheit, Leichtsinn und Unredlichkeit befördert, zahlreiche wirtschaftliche Existenzen dem Ruin entgegenführt und namentlich die Armut [i.S.v.: “die Armen”] ausbeutet und demoralisiert.”
(Quelle: Bericht über die Verhandlungen des siebenten Kongresses deutscher Volkswirte zu Hannover am 22., 23., 24. und 25. August. Im Auftrage der ständigen Deputation erstattet durch W. Jungermann, in: Vierteljahresschrift für Volkswirtschaft, Politik und…, hrsg. v. Faucher, Julius; Michaelis, Otto; et. al., Bd.2, Bände 7-8, 1864, S. 162 – 172, hier 162)
Die Ökonomen, die sich zu dieser harschen Kritik des Glücksspiels im Allgemeinen hinreißen lassen, stellen in ihrem Abschlussbericht auch fest, dass es sich bei den in den Spielbanken angebotenen Spielen eigentlich hauptsächlich um Pharo (auch Pharao) sowie Roulette handele.
Obwohl die großen deutschen Flächenstaaten selber keine Spielbanken betrieben, bedeutete dies nicht, dass es in ihnen kein Glücksspiel oder gar Roulette gab: Zu besonderen Anlässen schätzten auch die Landesherren Preußens und Sachsens durchaus die Verheißungen des Glücks, die das Roulette versprach: Man spielte zu Volksfesten und Maskenbällen gerne Roulette – verstand das Spiel hier jedoch eher als eine Möglichkeit der Volksbelustigung und der Unterhaltung.
Roulette im Untergrund 1872 bis 1933
Wie bereits nach dem allgemeinen Glücksspiel-Verbot in Frankreich 1832, florierte im Deutschen Kaiserreich das Glücksspiel ab 1872 im Untergrund. Die sogenannten “Ringvereine”, die sich ab 1902 gründeten – Zusammenschlüsse von Kriminellen – betrieben unter anderem Glücksspielstätten, die sich weitestgehend staatlicher Kontrolle entzogen.
Zwar gab es während der Jahre der Weimarer Republik mehrfach Bestrebungen das Glücksspiel wieder zu legalisieren – vor allem von Seebädern und Kurorten, die auf eine gewisse Spielbanktradition zurückblicken konnten. Keiner der Initiativen in den 1920er Jahren war jedoch erfolgreich: Die Begründung des Spielerschutzes vor den Gefahren der Glücksspielsucht wurde schon zu dieser Zeit übrigens als Argument gegen die Linzenzierung von Casinos ins Feld geführt. Dass auch in den 20er Jahren in Widerspruch zu diesem Argument staatlich organisierte Klassenlotterien abgehalten wurden, störte den Gesetzgeber nicht.
Die 1930 er und 40er Jahre
Offiziell spielten aber Casinos bis zur Aufhebung des allgemeinen Spielbankverbots durch die Nationalsozialisten am 14. Juli 1933 keine Rolle mehr. (Einzige Ausnahme war Danzig, wo es seit 1919 in Zoppot ein Casino gab.)
Allzu großer Beliebtheit erfreuten sich das Glücksspiel während der Zeit des Nationalsozialismus jedoch nicht und eigentlich war es nur in Baden-Baden möglich Roulette zu spielen. Die Lizenzvergabe an Baden-Baden erfolgte dabei jedoch weniger aus staatlichen finanziellen Interessen, sondern vielmehr aus wirtschaftlichen Gründen, die ökonomisch stark angeschlagene Region stärken zu wollen. Dass Adolf Hitler persönlich die Erlaubnis dazu erteilte, wird zwar angenommen, ein wirklicher Beweis dafür liegt allerdings nicht vor. (Vgl.: Reimer, Achim: Stadt zwischen zwei Demokratien: Baden-Baden 1930-1950, Münschen 2005, S. 56f.)
Erst nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges öffneten viele der Häuser wieder ihre Tore. Im Jahr 1949 machten Baden-Baden und Bad Homburg den Anfang, kurze Zeit später folgten auch andere Häuser.